Change Manage­ment für Nachhal­tig­keit mit Bezie­hungs­kon­ten meistern

Lesezeit: 8 Minuten

Einleitung

In diesem Artikel verraten wir nicht nur, wie Du diese Konflikte vermeidest, sondern auch Schritt-für-Schritt, wie Du durch gute Beziehungen das Change Management für Nachhaltigkeit verbesserst. Außerdem gibt es eine Checkliste zum Aufbau von Beziehungskonten!

 

Inhaltsverzeichnis

Warum sind Bezie­hun­gen für erfolg­rei­che Projek­te so wichtig?

Im Alter von 28 Jahren wurde ich bei den Stadt­wer­ken Flens­burg Projekt­lei­ter für den Bau und die Inbetrieb­nah­me eines Elektrokes­sels. Ich war von der Projekt­idee sofort überzeugt, denn für die Energie­wen­de brauchen wir auch Elektrokes­sel, die in Zeiten von viel Sonne und Wind Strom­über­schüs­se in Wärme umwan­deln können.

Da es sich hierbei um den ersten Elektrokes­sel in Deutsch­land handel­te, habe ich den Elektrokes­sel in Dänemark bestellt, wo es schon mehre­re solcher Anlagen zur damali­gen Zeit gegeben hat. Für das Projekt hatte ich zwar ein Budget zur Verfü­gung gestellt bekom­men, aber leider kein Projekt­team. Ein Projekt­team war aber wichtig, um den neuar­ti­gen Elektrokes­sel in den bestehen­den Anlagen­park sinnvoll zu integrie­ren. Zu Projekt­be­ginn bin ich jedoch nur auf wenig Bereit­schaft im Unter­neh­men gesto­ßen, mich bei dem Projekt zu unter­stüt­zen, weil in der eher tradi­tio­nell denken­den Stadt­wer­ke-Welt sich niemand an diese neue Technik herantraute.

Erfolgreich Beziehungskonten etablieren für Nachhaltigkeit

Was habe ich nun gemacht? Ich habe einen Trick angewen­det, den ich einige Jahre zuvor im Quali­täts­ma­nage­ment beim Daimler kennen­ge­lernt habe: Damals hatte ein Kolle­ge aus der Rohbau-Produk­ti­on ein neues Prüfver­fah­ren einfüh­ren wollen, für dessen Integra­ti­on er weder die Kompe­tenz noch das Geld hatte. Darauf­hin hat er einfach für die aus seiner Sicht relevan­ten Kolle­gen einen wöchent­li­chen Serien­ter­min einge­stellt, um sich nur 30 Minuten in der Woche mit dem Thema ausein­an­der­zu­set­zen. Der Serien­ter­min führte dazu, dass die Idee weiter­ent­wi­ckelt wurde: Nach wenigen Wochen war das Budget da und nach wenigen Monaten war ein erster Proto­typ entstanden.

Genau das gleiche Vorge­hen habe auch ich gewählt und einen wöchent­li­chen Termin einge­stellt, bei dem genau dieje­ni­gen Kolle­gen einge­la­den wurden, die für die Umset­zung des Projekts elemen­tar waren.

Da wir uns nur eine halbe Stunde pro Woche getrof­fen haben, haben alle Kolle­gen trotz anderer Aufga­ben an dem Termin teilneh­men können. Und durch die wöchent­li­che Wieder­ho­lung konnte ich im Laufe der Zeit meine Begeis­te­rung für das Projekt auf die Kolle­gen übertra­gen und es entstan­den wie von Zauber­hand die notwen­di­gen zeitli­chen Kapazi­tä­ten, um das Projekt abzuar­bei­ten. Am Ende trugen über 50 Kolle­gen bei den Stadt­wer­ken zur erfolg­rei­chen Projekt­um­set­zung bei.

Warum hat dieses Projekt nun funktio­niert, obwohl ich gar kein Projekt­team hatte? Ich bin mir sicher, dass ein Großteil des Erfol­ges dadurch zustan­de kam, dass ich ganz aktiv und regel­mä­ßig auf sogenann­te Bezie­hungs­kon­ten einge­zahlt habe.

Was sind emotio­na­le Beziehungskonten?

Jeder von weiß, wie ein klassi­sches Bankkon­to funktio­niert: Auf einem Bankkon­to kann man Einzah­lun­gen vorneh­men, hat einen bestimm­ten Konto­stand und kann bei Bedarf auch wieder Geld abheben oder damit Rechnun­gen bezah­len. Hat man ein hohes Gutha­ben auf seinem Bankkon­to aufge­baut, so erhält man dafür Zinsen, auch ohne etwas dafür tun zu müssen.

Die wenigs­ten Menschen machen sich jedoch darüber Gedan­ken, dass es auch emotio­na­le Bezie­hungs­kon­ten zwischen einzel­nen Menschen gibt. Dabei unter­hält man unbewusst diver­se emotio­na­le Bezie­hungs­kon­ten – nämlich zu all den Menschen, mit denen man regel­mä­ßi­gen Kontakt pflegt. Und auch hier gibt es einen Konto­stand wie auf einem finan­zi­el­len Konto, jedoch ist dieser nicht so leicht abzule­sen: Der Konto­stand beschreibt das Vertrau­en, das in den vergan­ge­nen Wochen, Monaten oder Jahren zwischen den beiden Menschen aufge­baut worden ist. Wenn man im Laufe der Jahre einen hohen Konto­stand erreicht hat, was bedeu­tet, dass man viel Vertrau­en inein­an­der gewon­nen hat, kann von dem Konto auch mal eine höhere Abhebung gebucht werden, ohne dass man in den negati­ven Bereich rutscht. Gleich­falls wirst du beobach­ten, dass du bei einem vollen Konto­stand eine viel einfa­che­re und gelin­gen­de Kommu­ni­ka­ti­on genie­ßen darfst.

Für mich sind emotio­na­le Bezie­hungs­kon­ten tatsäch­lich ein Ausdruck von Nachhal­tig­keit in Unter­neh­men. Hierfür verwen­de ich gerne das Bild eines Waldes, bei dem man ebenfalls nur so viel ernten sollte, wie nachwächst, denn sonst ist der Wald nach wenigen Jahren abgero­det bzw. das Konto ist leer.

Wie baue ich Vertrau­en auf bzw. wie befül­le ich das emotio­na­le Beziehungskonto?

Neben den klassi­schen Tugen­den wie Höflich­keit, Ehrlich­keit, Freund­lich­keit und Zuver­läs­sig­keit hilft beim Befül­len des emotio­na­len Bezie­hungs­kon­tos vor allem eines: Zuhören. Das habe ich in den folgen­den Jahren, als Führungs­kraft lernen dürfen.

Ähnlich wie zu Beginn des Elektrokes­sel­pro­jekts habe ich mir auch als frischer Abtei­lungs­lei­ter überlegt, welche anderen Berei­che für die erfolg­rei­che Arbeit meiner Abtei­lung von Bedeu­tung sind. Mit diesen Kolle­gen habe ich wöchent­li­che oder monat­li­che Austausch­ter­mi­ne verein­bart. Nachdem wir in den ersten Jahren viel über fachli­che Themen gespro­chen haben, drehten sich die Gesprä­che später immer mehr um Führungs­fra­gen, Unter­neh­mens­zie­le oder sogar priva­te Themen. Denn wir hatten fast keine fachli­chen Proble­me mehr zu lösen. Und wenn es doch mal ein Problem zwischen unseren Abtei­lun­gen gab, dann hatten wir eine solch gute Gesprächs­kul­tur etabliert, dass wir sowohl im Dialog als auch im Rahmen von größe­ren Bespre­chun­gen schnell einen Konsens finden konnten.

Da ich dieses Vorge­hen über Jahre prakti­ziert habe, hatte ich selbst zu vermeint­lich schwie­ri­gen Kolle­gen einen guten Draht. Am Ende meiner “Stadt­wer­ke-Karrie­re” kam es häufi­ger vor, dass ich als Media­tor Gesprä­chen beigewohnt habe, um auf Basis meiner guten Bezie­hung eine rasche Lösung herbei­zu­füh­ren. Bereit­wil­lig habe den inter­es­sier­ten Kolle­gen darauf­hin mein “Geheim­re­zept” verraten.

Es gibt viele weite­re Möglich­kei­ten, das emotio­na­le Bezie­hungs­kon­to zu füllen: Ich erinne­re mich an einen Kolle­gen, der tatsäch­lich so gut wie nie E‑Mails geschrie­ben oder angeru­fen hat, sondern in der Regel immer das persön­li­che Gespräch suchte. Auch hierdurch kann man tolle Bezie­hun­gen zu anderen Kolle­gen aufbau­en, da das direk­te Gespräch ein viel inten­si­ve­res Erleb­nis als eine E‑Mail ist.

Warum leert sich das Konto von allein wieder?

Nun könnte man denken, dass man die wöchent­li­chen Treffen oder den persön­li­chen Kontakt beenden kann, wenn man ein gewis­ses Bezie­hungs­le­vel erreicht hat. Tatsäch­lich funktio­niert das leider nicht, da sich in fortdau­ern­den Bezie­hun­gen die Gutha­ben wieder aufzeh­ren. In seinem Buch “Die 7 Wege zur Effek­ti­vi­tät” schreibt Steven Covey dazu: “Unsere bestän­digs­ten Bezie­hun­gen bedür­fen unserer bestän­digs­ten Einzah­lung.” Und da wir auf der Arbeit viel Zeit mit anderen Menschen verbrin­gen, lohnt es sich beson­ders, hier auf die Bezie­hungs­kon­ten einzuzahlen.

Aber warum leeren sich die emotio­na­len Bezie­hungs­kon­ten im Laufe der Zeit wieder? Der Grund hierfür ist, dass man im betrieb­li­chen Alltag häufig kleine­re, unbewuss­te Abhebun­gen vom Bezie­hungs­kon­to vornimmt, die man selber gar nicht wahrnimmt. Der anderen Person fallen diese Kleinig­kei­ten aber sehr wohl auf, sodass der Konto­stand schrumpft.

Trifft man jedoch einen Freund oder Bekann­ten wieder, den man seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat, so kann man üblicher­wei­se auf dem Bezie­hungs­ni­veau anknüp­fen, auf dem man sich vor Jahren aus den Augen verlo­ren hat, da es keine Reibe­rei­en im Alltag gegeben hat. Das emotio­na­le Bezie­hungs­kon­to ähnelt also eher einem Girokon­to ohne Zinsen als einem Tages­geld­kon­to, auf dem man auch ohne eigenes Zutun Zinsen erhält.

Einzah­lun­gen Auszah­lun­gen
anderen gegen­über ehrlich sein manipu­lie­ren wollen und damit auffallen
Dankbar­keit zeigen und ausdrücken misstrau­isch und nachtra­gend sein
anderen Vertrau­en schenken unzuver­läs­sig sein, Verspre­chen brechen
Nachfra­gen und andere einbeziehen Recht haben wollen
Lob ausspre­chen andere beschul­di­gen
erst verste­hen wollen andere öffent­lich kritisieren
in Koope­ra­tio­nen denken in Konkur­renz denken
Erwar­tun­gen abklären anderen ins Wort fallen
Wertschät­zend sein anwei­sen und belehren
Usw. Usw.
Bezie­hungs­kon­ten: Einzah­lun­gen und Auszahlungen

Konkre­te Umset­zung: Bezie­hungs­kon­ten einrichten

  1. Nachdem wir jetzt ausführ­lich darüber gespro­chen haben, warum die Bezie­hun­gen zu Kolle­gen, Mitar­bei­tern und auch Vorge­setz­ten so wichtig sind, und wir einige Metho­den kennen­ge­lernt haben, wie die emotio­na­len Bezie­hungs­kon­ten befüllt werden können, geht es jetzt um die konkre­te Umset­zung. Hierbei empfeh­le ich Einzel­ge­sprä­che, da in größe­ren Runden nach meiner Erfah­rung nur schwie­rig an einem nachhal­ti­gen Vertrau­ens­auf­bau gearbei­tet werden kann.
  2. Überle­ge zunächst, welche Kolle­gen für deinen betrieb­li­chen Erfolg am wichtigs­ten sind. Ich empfeh­le hier drei bis maximal sieben Kolle­gen auszu­wäh­len. Üblicher­wei­se erkennst du diese Kolle­gen in einer Linien­auf­ga­be daran, dass du mit Ihnen am meisten “Trouble-Shooting” durch­führst oder E‑Mail-Verkehr hast. In einem Projekt solltest du immer jeman­den dabei­ha­ben, der für das Budget verant­wort­lich ist, und einen Kolle­gen, der später Anwen­der des Projekts sein wird. Dabei ist es nach meiner Erfah­rung nicht entschei­dend, eine gewis­se Führungs­ebe­ne anzuspre­chen, sondern dieje­ni­ge Person dabei zu haben, die unabhän­gig von Ihrer Führungs­ebe­ne in deinem Unter­neh­men der “Meinungs­ma­cher” zu deinem Projekt­the­ma ist.
  1. Sprich diese Kolle­gen an, ob sie ebenfalls Inter­es­se an einem Austausch haben. Hierbei empfeh­le ich zunächst immer das persön­li­che Gespräch, da du eventu­el­le Beden­ken und Einwän­de sofort erken­nen und darauf reagie­ren kannst. Wenn es wirklich eine E‑Mail sein muss, dann würde ich absehen von einem langwei­li­gen Betreff wie “regel­mä­ßi­ger Austausch”, sondern lieber so etwas wie “Exper­ten-Talk”, sodass der Kolle­ge hierbei auch schmun­zeln muss und die Tür vielleicht schon halb offen ist. Erfah­rungs­ge­mäß hilft es hierbei, wenn du den Nutzen für den Kolle­gen betonst. Einige typische Nutzen können sein: 
    • Weniger Konflik­te zwischen den Abtei­lun­gen, wodurch Kosten und Zeit einge­spart werden,
    • strate­gi­sche Unter­stüt­zung für Projek­te, die dem Gesprächs­part­ner wichtig sind,
    • kolle­gia­ler Austausch zu Führungs­the­men, der in Unter­neh­men häufig zu kurz kommt
  2. Findet einen gemein­sa­men Termin. An der Stelle ist es wichtig, gleich im Gespräch für Verbind­lich­keit zu sorgen: Hierbei ist es hilfreich, die eigenen Termi­ne im Kopf oder im Handy dabei zu haben. Am besten schlägst du deinem Gesprächs­part­ner zwei konkre­te Termi­ne vor: Passt es am Montag­nach­mit­tag oder am Donners­tag­vor­mit­tag besser? Dann ist der Weg zum Termin­ka­len­der nicht mehr weit. Bei der Termin­pla­nung auch unbedingt darauf achten, dass es keine knappen Anschluss­ter­mi­ne gibt, wo ein Gesprächs­part­ner schon zehn Minuten früher losmuss, um in ein anderes Gebäu­de zu gelan­gen. Tenden­zi­ell empfeh­le ich für den locke­ren Austausch Termi­ne am Nachmit­tag, da in vielen Unter­neh­men am Vormit­tag der betrieb­li­che Alltag etwas stres­si­ger ausfällt. Vom Rhyth­mus her würde ich mit einer halben Stunde in der Woche begin­nen, da man dadurch besser in eine Routi­ne hinein­kommt. Zweiwö­chent­li­che Termi­ne gehen natür­lich auch, führen jedoch zu einem langsa­me­ren Fortschritt auf dem Beziehungskonto.
  3. Lade zu dem Termin konkret per Kalen­der­funk­ti­on ein, um die entspre­chen­de Verbind­lich­keit zu gewähr­leis­ten. Hier geht es wirklich nur noch um die profa­ne Einla­dung, alles Wichti­ge wie Rhyth­mus, Dauer, Wochen­tag und Uhrzeit sollte im persön­li­chen Gespräch geklärt sein.
  4. Überprü­fe regel­mä­ßig, ob die ausge­wähl­ten Kolle­gen und der Bespre­chungs­rhyth­mus noch passend sind. Nach meiner Erfah­rung kommt es nur selten vor, dass ein etablier­ter Termin verän­dert wird, ohne dass einer der beiden Perso­nen die Stelle wechselt. Wenn es jedoch vorkommt, dass sich im Laufe der Zeit die Aufga­ben und Inter­es­sen einer Person verän­dern, dann spürt das in der Regel (mindes­tens) einer der Teilneh­mer. Dieser sollte dann das Thema ehrlich anspre­chen und gedank­lich in Schritt 2 zurück­ge­hen, nämlich ob noch Inter­es­se an einem Austausch besteht. Unter Umstän­den hilft es auch, von einem wöchent­li­chen Inter­vall auf ein monat­li­ches Inter­vall zu wechseln, damit zwischen den Termi­nen ausrei­chend Zeit liegt und damit ein besse­rer Austausch ermög­licht wird.

Fazit

Damit du in deinem Unter­neh­men die Konflikt­kos­ten gering hältst, sollten alle Mitar­bei­ten­de im Unter­neh­men an den emotio­na­len Bezie­hungs­kon­ten arbei­ten. Dadurch können die Heraus­for­de­run­gen und Proble­me des betrieb­li­chen Alltags deutlich effek­ti­ver gelöst werden. Beson­ders in Trans­for­ma­ti­ons­pro­zes­sen sind gut gefüll­te Bezie­hungs­kon­ten wichtig, da es bei größe­ren Verän­de­run­gen unver­meid­lich ist, dass im Verlau­fe des Projekts kleine­re oder auch größe­re Abhebun­gen unbewusst vorge­nom­men werden. Für die Imple­men­tie­rung der SDG zur Entwick­lung eines Geschäfts­mo­dells stellen Bezie­hungs­kon­ten z.B. eine wichti­ge Kompo­nen­te dar.

Dr. Claus Hartmann

Dr. Claus Hartmann entschlüsselt seit Jahrzehnten die Prinzipien für nachhaltigen Erfolg. Der promovierte Wirtschaftsingenieur kann Erfahrungen aus der Wissenschaft, der Immobilienbranche, der Land- und Energiewirtschaft vorweisen. Claus arbeitete bei der Daimler AG im Qualitätsmanagement und als Führungskraft bei den Stadtwerken Flensburg. Seine gesammelten Erfahrungen und Key-Learnings über Großprojekt- und Qualitätsmanagement sowie Leadership gibt er seit dem Jahr 2020 in Form von Keynote-Vorträgen weiter. Er ist glücklich verheiratet und wohnt mit seinen beiden Kindern in Rendsburg. Check out: www.claushartmann.de.

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