Was ist Erfolg? Erfolgs­maß­stä­be entwi­ckeln und Erfolg messen mit der Wertepyramide

Lesezeit: 6 Minuten
Was alle Unternehmer*innen gemeinsam haben ist das Streben nach Erfolg. Denkt man. Aber was ist Erfolg? In einer Wirtschaftswelt, die scheinbar unaufhörlich nach Erfolg strebt, ist das keine so banale Frage, wie man zunächst glaubt. Der genaue Erfolgs-Maßstab, den wir an unser Handeln anlegen prägt unsere Wirklichkeit, wie der Historiker Yuval Harari beschreibt. Ein Mullah würde zum Beispiel sagen: "Unser System funktioniert. Inzwischen gibt es weltweit 1,5 Milliarden Muslime, und mehr Menschen studieren den Koran und unterwerfen sich dem Willen Allahs als je zuvor".

Einleitung

Die Schlüsselfrage ist, ob dies der richtige Maßstab für Erfolg ist. Genauso könnte eine Schuldirektorin sagen: "Unser System funktioniert. In den letzten fünf Jahren sind die Prüfungsergebnisse um 7,3 Prozent gestiegen". Doch ist das die beste Art, eine Schule zu beurteilen? Und ein Beamter im alten Ägypten würde sagen: "Unser System funktioniert: Wir sammeln mehr Steuern, graben mehr Kanäle und bauen größere Pyramiden als jeder andere auf der Welt".

In diesem Artikel klären wir, wie eine wertebasierte Erfolgsdefinition für Unternehmen aussieht, und wie man damit sachlich und analytisch seine Erfolge messen und verfolgen kann.

 

Inhaltsverzeichnis

Wer keinen Maßstab hat, braucht über Erfolg nicht zu reden

Was ist also der Maßstab, um in unserem Unter­neh­men mit recht sagen zu können: „Unser System funktio­niert!“? Wie lassen sich Erfolgs­de­fi­ni­tio­nen und damit letzt­end­lich KPIs so angehen, dass unser System nachhal­tig und nicht auf Kosten anderer funktioniert?

Eine banale Antwort auf die Frage nach dem Erfolgs­maß­stab ist natür­lich Profit. Mein Unter­neh­men soll so profi­ta­bel wie möglich sein. Als Erfolgs­maß­stab taugt dies aber aus zwei Gründen nicht.  Erstens ist Profit kein Erfolgs­mes­ser, weil er eigent­lich nur eine Schwel­le beschreibt, wo die Diffe­renz von Kosten und Einnah­men größer als Null ist. Eine Schwel­le, die zu errei­chen in der Regel essen­ti­ell zum Wohlerge­hen der Organi­sa­ti­on ist, aber nicht die Organi­sa­ti­on selbst ausrei­chend quali­fi­ziert. So profi­ta­bel wie möglich sein zu wollen ist daher ein ausge­höhl­tes, weil im Kern sinnlo­ses Erfolgs­stre­ben (zumin­dest in einem priva­ten Unter­neh­men). Es ist so als würde jemand sein großes Ziel im Leben als “so sehr atmen wie möglich” benen­nen, also würde diese Person eine basale Lebens­vorraus­set­zung als ultima­ti­ven Lebens­in­halt beschrei­ben. Klingt nicht nach einem guten Leben.

Zweitens ist ein höherer Profit höchs­tens ein Mittel, um den eigent­li­chen Erfolg anzustre­ben. Erwirt­schaf­tet man über die Profi­ta­bi­li­täts­gren­ze hinaus Gewin­ne ist das schön, es drängt sich aber die Frage auf, was man mit den Profi­ten anstel­len will, wie man sie also im Sinne eines zu maximie­ren­den eigenen Erfolgs­maß­stabs einset­zen möchte. Wir landen direkt wieder bei der Frage, wie Erfolg aussieht. Für DM-Gründer Götz Werner ist Profit‚ nur eine Zahl im „Balan­ce Sheet“. Er findet, dass, wer Profi­te macht, entwe­der zu hohe Preise verlangt oder seinen Mitarbeiter*innen nicht genug zahlt. Auch wenn wir nicht alle so wie der Heili­ge Götz denken wollen: Bleibt Profit einfach Profit mangelt es an wirkli­chem Erfolg. Schon Adam Smith beobach­te­te: “The rate of profit…is always highest in the count­ries which are going fastest to ruin”. Eine Ironie der empiri­schen Forschung ist da übrigens das die Unter­neh­men, die am profi­ta­bels­ten sind, gerade nicht Profit allei­ne als Ziel haben.

Auch Glück ist kein Erfolgsmaßstab

Eine andere Antwort auf die Frage, wie Erfolg im Unter­neh­men aussieht, ist die der Glücks­ma­xi­mie­rung: „Erfolg ist, glück­li­che Mitar­bei­te­rin­nen und Mitar­bei­ter zu haben“. Eine schreck­li­che Vorstel­lung! Der Philo­soph Robert Nozick zeigt mit einem Gedan­ken­ex­pe­ri­ment, dass Glücks­ma­xi­mie­rung allei­ne fad schmeckt: Wir würden eine Pille, die uns ewiges Glück verspricht, verschmä­hen. Wir würden uns an eine Maschi­ne, die uns nur glück­li­che Erleb­nis­se vorgau­kelt (a la Robert Nozicks Erleb­nis­ma­schi­ne) niemals anschlie­ßen. Warum? Weil wir tiefer gehen­de, komple­xe­re Erfah­run­gen suchen, als das Glück allein. Weil wir für diese auch leiden wollen, denn das macht sie erst wertvoll. Und weil Glück auf Dauer uns problem­lö­sen­de Kreatu­ren in den Wahnsinn treibt.

Dosto­jevs­ky beschreibt in einem Roman, was passiert, wenn man Menschen alles gibt, was sie glück­lich macht. Menschen mit Kuchen, Whirl­pool, entspann­te Lounge­mu­sik und ohne Sorgen, würden inner­halb kürzes­ter Zeit ihren kleinen Utopie-Puff ausein­an­der hauen, damit etwas Unerwar­te­tes passiert, sie etwas Inter­es­san­tes und Sinnvol­les zu tüfteln haben. Nicht gerade das Ideal von einer erfolg­rei­chen Mitar­bei­ter­ak­ti­vie­rung. Nein, wenn schon nicht glück­lich, dann sollen Mitar­bei­ter erfüllt sein, eben von sinnvol­len Zielen, aber welche sind das? Wir landen direkt wieder bei der Frage, wie Erfolg aussieht.

Das Tool, um über Erfolg reden zu können: die Werte-Pyramide

 

Dies gibt Werten eine Funkti­on und einen Weg sie zu be-werten, sie also in einen Bezug zuein­an­der zu setzen. Wie praktisch in einer Welt, in der Werte oft entwe­der zu hoch gehan­gen („Serving the World every day“) oder zu niedrig sind (“kunden­ori­en­tiert”)

Die Werte-Pyrami­de in Aktion: Ein Beispiel aus der Praxis

Wenn Werte also teleo­lo­gisch aufge­baut sind, dann kann man sie ranken. Ganz unten am Funda­ment sind die Handlun­gen, die wir täglich ausüben: Mitarbeiter*innen in die Weiter­bil­dung schicken, in Techno­lo­gie inves­tie­ren, Kunden­an­fra­gen bedienen.

Darüber sind Werte unterer Ordnung. Sie sind der unmit­tel­ba­re Grund, warum wir die Handlun­gen ausüben: Zeitge­mä­ße Fähig­kei­ten, moder­ne Produk­te, Kunden­zu­frie­den­heit. Ich kann meine Handlun­gen damit verbin­den, z.B. schicke ich Mitarbeiter*innen in die Weiter­bil­dung, damit sie zeitge­mä­ße Fähig­kei­ten haben und so dann auch moder­ne Techno­lo­gie bedie­nen können.

Inter­es­sant und ab hier immer weniger trivi­al wird es dann bei Werten zweiter Ordnung: Wofür möchte ich zeitge­mä­ße Fähig­kei­ten, moder­ne Techno­lo­gie, zufrie­de­ne Kunden?

Sagen wir, ich bin ein Spedi­teur. Kein leich­tes Geschäft, auch kein saube­res. Dann möchte ich vielleicht der mit den zufrie­dens­ten Kunden sein, weil ich weiß, dass die Konkur­renz mit älteren LKWs fährt und damit mehr die Umwelt verpes­ten, und vielleicht auch weil ich Kunden habe, die mit meiner Hilfe regio­na­le Nahrungs­mit­tel erst einem breiten Markt anbie­ten können. Dann möchte ich meine Mitarbeiter*innen weiter­bil­den, weil ich weiß, dass die Branche hart ist und ich nieman­den vor der Rente entlas­sen möchte, dann will ich vielleicht in Techno­lo­gie inves­tie­ren, damit LKWs noch weiter fahren können und dabei noch saube­rer sind. Meine Werte mittle­rer Ordnung sind also: Sicher­heit für Mitarbeiter*innen, Sauber­keit des Verkehrs und Empower­ment regio­na­ler Hersteller.

Diese Werte und die Werte darun­ter stehen in unter­schied­li­chen Bezie­hun­gen zuein­an­der. Und auch darüber ließen sich noch Werte ablei­ten (warum ist eigent­lich mir Sicher­heit, Sauber­keit und Empower­ment wichtig? Gibt es dafür jeweils auch noch einen höheren Grund?).

 

In Wahrheit ist eine Werte­py­ra­mi­de, die man natür­lich auch auf sein indivi­du­el­les Leben anwen­den kann, viel komple­xer, was vor allem an den viel zahlrei­che­ren Handlun­gen liegt, die das Funda­ment bilden. Habe ich diese Pyrami­de* aber einmal erstellt, sehe ich meine Werte vor mir. Werte sind dann versach­licht: Ich kann mit anderen Entscheider*innen im Unter­neh­men dazu sprechen und somit die KPIs oder Erfolgs­de­fi­ni­ti­on der Organi­sa­ti­on so erneu­ern, dass z.B. eine nachhal­ti­ge Unter­neh­mens­füh­rung ein Teil davon wird. Ich sehe die Art der Bezie­hung, die die Werte zuein­an­der und zu den Handlun­gen haben. Ich sehe zum Beispiel, dass mir die Sauber­keit des Verkehrs sehr wichtig ist, aber vielleicht nur eine Handlung auf sie einzahlt. Eine schwa­che Verbin­dung in meinem Werte­ge­rüst also? Das zu testen und gegebe­nen­falls zu stabi­li­sie­ren, macht dann ein wirklich erfolg­rei­ches Unter­neh­men aus.

Die Schrit­te zur Werte-Pyramide

  • Bilde das Funda­ment der Handlungs­ebe­ne: Schrei­be alle Handlun­gen auf, die dein Unter­neh­men ausma­chen. Bezie­he Mitarbeiter*innen und Entscheider*innen dabei stets ein. Versu­che die Handlun­gen zu fokus­sie­ren, die das Unter­neh­men im Vergleich zum Markt beson­ders machen(also nicht Unter­neh­mens­steu­ern zahlen, sondern eher etwas wie größter Ausbil­der der Branche)
  • Verbin­de dies mit den Werten unterer Ordnung: Nehme die Handlun­gen als Basis und frage dich, warum du diese verfolgst, sei hier pragma­tisch und ehrlich zu dir selbst (so zeigt größter Ausbil­der der Branche dann vielleicht auf junges, innova­ti­ves Unter­neh­men). Verbin­de Handlun­gen und Werte unterer Ordnung mitein­an­der (es können mehre­re Pfeile auf einen Wert abzie­len, oder eine Handlung auf mehre­re Werte)
  • Leite die Werte mittle­rer Ordnung ab: Was ist das Warum hinter den Werten unterer Ordnung? Schrei­be auf warum du etwa jung und innova­tiv sein willst (Neuerfin­dung der Branche, Abkehr von fossi­len Brenn­stof­fen, regio­na­ler Hoffnungs­trä­ger?). Du gelangst somit Schritt für Schritt an höhere, gesell­schaft­lich relevan­te­re Sphären. Verges­se nicht Zwischen­ver­bin­dun­gen aufzuzeigen.
  • Zoome heraus und teste die Stabi­li­tät der Pyrami­de: Welche Elemen­te können sich auf mehre­re Pfeile stützen? Welche stehen eher insta­bil und isoliert dar? Welche Verbin­dun­gen sind stark, welche sind ausbau­fä­hig? Welche Werte bekom­men zu viel/zu wenig Aufmerksamkeit?

Fazit

Das Streben nach Werten muss kein leeres Geschwa­fel sein, als teleo­lo­gi­sche Pyrami­de bietet es eine stabi­le Basis für die Defini­ti­on von Erfolg und den dazuge­hö­ri­gen KPIs. Denn mit der richti­gen Technik und Ernst­haf­tig­keit stellt sich eine werte­ori­en­tier­te Erfolgs­de­fi­ni­ti­on als viel sachli­cher, analy­ti­scher und zielori­en­tier­ter heraus, als das Streben derer, die nur Profit oder Mitar­bei­ter­glück predigen.

*Du fragst Dich sicher, was ganz oben steht in der Pyrami­de. Eine Antwort wäre, dass dies dann einfach der Erfolg ist, und die Streben darun­ter eben den Erfolg charak­te­ri­sie­ren, worin der Erfolg besteht. Eine andere wäre Purpo­se, also der Existenz­grund der Organi­sa­ti­on. Vielleicht ist es aber eben auch einfach wie eine Pyrami­de: Das Obers­te Stück ist nur Schmuck, sie stützt keine anderen Steine und ist einfach nur ein Zeichen dafür, dass das ganze Ding sehr gerade und stabil gebaut ist.

Hans Rusinek

Hans Rusinek (30) ist Transformationsberater, Autor (in Medien wie BrandEins und BusinessPunk) und Chefredakteur des Transform Magazins - einem Independent Magazin, das mit konstruktivem Journalismus ökologisch-gesellschaftlichen Wandel bewirken will. In seiner beraterischen Tätigkeit hilft er Unternehmen ihren größeren Sinn, ihren Purpose, zu finden und zu leben. Zusätzlich engagiert er sich beim thinktank 30 des Club of Rome Deutschland, wo er sich mit wirtschaftsethischen Fragen auseinandersetzt. Hans Rusinek beendete sein Studium der Volkswirtschaftslehre, Politik und Philosophie an der London School of Economics und ist zudem ausgebildeter Design Thinker.

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